Donnerstag, 23. August 2012

DER MENSCH UND DIE IDEOLOGIE

Wir haben in einem vorhergehenden Kapitel die Welt in Basis und Überbau, also Materie und Geist getrennt. Für Überbau bzw. Geist kann man auch Bewusstsein, Ideenwelt, Ideologie o. ä. sagen.
Es ist sehr interessant, sich mit diesem Überbau einmal genauer zu beschäftigen, denn er stellt ja unser Ich - entweder einzeln oder kollektiv (als Gruppenwahrnehmung) - dar.

Menschen haben, soweit wir wissen, zu allen Zeiten irgendwelchen Ideologien und Glaubenssystemen angehört. Zumindest gilt das für die geschichtliche Zeit, also die, für die schriftliche Quellen vorliegen.

Dabei ist eines erstaunlich: Die Menschen wachsen in einem ideologischen Raum auf, in dem sie früh mit der entsprechenden Ideologie in Kontakt kommen und übernehmen diese meistens kritiklos. Sie sind sich offenbar nicht bewusst, dass sie nur zufällig in diesen ideologischen Raum geboren (frei nach Heidegger: geworfen) wurden. Die Sozialisation übernehmen dann Institutionen wie Familie, Schule usw. (Althusser: Ideologische Staatsapparate). Menschen sind aber nur selten fähig, diese Thematik rational oder wissenschaftlich-analytisch anzugehen. Im Gegenteil: Es ist sogar so, dass selbst Wissenschaftler auf diese Täuschung hereinfallen und sich austricksen lassen.
Man kann ebenso kategorisierend wie böse sagen: Die Menschen sind Folger von Führern!

Wer den Kalten Krieg noch erlebt hat, kann das eindrucksvoll bestätigen. Ganz Osteuropa und viele Teile der Welt waren damals rot. Ihre Systeme und ihr Bewusstsein waren sozialistisch oder kommunistisch. Nach der Wende um 1990 drehte sich das Bewusstsein der Menschen ganz plötzlich. Das davor schien wie weggeblasen. Einige Menschen mögen sich damals auch an den kollektiven Bewusstseinswandel um 1945 erinnert haben, nur waren Nationalsozialismus und Faschismus nicht so lange am Ruder. Ihre Niederlage war aber nur knapp.

Ähnlich ist es mit religiösen Ideologien. Viele Menschen glauben mit voller Inbrunst an eine Religion wie Christentum, Judentum oder Islam, obwohl sie nur zufällig in einem bestimmten religiösen Gebiet geboren wurden. Es ist doch völlig lächerlich zu glauben, dass man an eine Religion deshalb glaubt, weil ein bestimmter "Erlöser" so überzeugende Argumente hat. Die meisten Menschen glauben an die Ideologie, die eben in ihrem ideologischen Raum vorherrscht. Nur in Einzelfällen sucht sich jemand freiwillig und bewusst eine bestimmte Ideologie aus.
Ideologien wie das Christentum oder das Islam haben übrigens nur zufällig so deutlich gewonnen. Bei den Christen z. B. verliefen viele Schlachten gegen die Heiden denkbar knapp. Das hätte auch anders ausgehen können, so dass heute die Menschen an die Ideologie der Gegner glauben würden - man kann das zwar nicht streng wissenschaftlich beweisen, aber es ist doch sehr wahrscheinlich.

Ebenso verhält es sich auch mit den Religionen des antiken Mittelmeerraumes und seine Umgebung, wie denen der Ägypter, Akkader oder griechischer Poleis. Bei ihnen schwingen neben religiösen Momenten noch sehr viele patriotische mit. Die Religion stellt die Dinge der Welt so dar, dass die eigene Gruppe nicht nur zufällig gegenüber allen anderen moralisch im Recht ist, sondern gleichzeitig auch allen anderen überlegen.





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