Samstag, 7. September 2013

BEWERTUNG DES II. REICHES

Das II. Deutsche Reich, offiziell nur Deutsches Reich, inoffiziell auch Bismarckreich oder Kaiserreich genannt, ist in seiner Bewertung immer noch Gegenstand heftiger Kontroversen.

Die Ursache hat es darin, dass es nicht demokratisch war und als sehr militaristisch galt.

In der Tat wurde dieses Reich durch Krieg erschaffen (1870/71) und ging durch Krieg zugrunde.
Das Land wurde durch einen Monarchen (Kaiser) regiert, hatte aber auch einen Reichstag, der von der männlichen Bevölkerung gewählt werden konnte.
Allerdings mochte der Kaiser den Reichstag nicht und besonders die darin erstarkende SPD.
In dieser Partei herrschte übrigens anfangs noch die marxistische Strömung vor.
Das Problem ist auch, dass die damaligen politischen Entscheidungsträger nicht gelernt haben, mit ihrer gewachsenen Verantwortung/Macht geeignet umzugehen.
Das Deutsches Reich war ein politisch und wirtschaftlich starker Staat, der auf eine lange Phase der Kleinstaaterei und wirtschaftlichen Rückständigkeit folgte. Diese eigentlich gute Entwicklung zeitigte aber eine Einstellung am Rande zum Grössenwahn und einen Trend, sich dem Imperialismus der anderen europäischen Grossmächte anzuschliessen oder ihn sogar noch zu übertreffen. Der sehr spät geeinte Staat hatte das Auftreten eines Zu-Kurz-Gekommenen.

Man muss diesen Fehlentwicklungen (aus heutiger Sicht gesehen) aber auch positive Errungenschaften entgegenstellen und sie zumindest ein wenig relativieren.
Viele Denkweisen, die damals im Deutschen Reich vorherrschten, lagen noch im Trend der Zeit, auch wenn das nicht alles entschuldigen kann. Überall herrschte Autoritarismus vor und die Demokratie in Europa noch als eine von mehreren möglichen Staatsformen. Sie galt bei vielen als schwache, ja sogar dekadente Regierungsform.

Das Deutsche Reich lieferte wirtschaftlich einen beeindruckenden Aufschwung. Es gab nach der Gründereuphorie einen Gründerkrach und dann einige weitere wirtschaftliche "Dellen", die letzte übrigens kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Insgesamt kann die damalige Deutsche Wirtschaft aber als Erfolgsmodell gesehen werden. Deutschland war stark in der Stahlbranche, der Elektroindustrie, Chemie, Pharmazie und in anderen Gebieten.

Ebenso aufstrebend war die Wissenschaft. Das Deutsche Reich errang viele Nobelpreise und war sowohl in den Naturwissenschaften als auch in den Geisteswissenschaften sehr stark. In letzteren z. B. in den Altertumswissenschaften. Allerdings waren viele Wissenschaftler autoritär und antidemokratisch gesinnt.
In einigen Punkten kann man sogar sehen, wie Elemente des Faschismus vorweggenommen wurden. Es gab allerdings auch liberale Wissenschaftler wie z. B. der Historiker Ludwig Quidde.
Die Wissenschaft förderte z. B. in den Bereichen Physik, Chemie und Pharma die heimische Wirtschaft.

Besonders schlimm ist die Art, wie sich das an sich gut funktionierende Deutsche Reich selbst zugrunde richtete. Der Erste Weltkrieg wurde im Prinzip ohne wirklichen Grund geführt. Die Position der Mittelmächte, also des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns, war viel besser als perzipiert. Leider phantasierte man sich damals in eine paranoide Einkreisungsvorstellung hinein.
Stattdessen hätte man überlegt abwarten sollen, was die anderen Mächte machen. Es ist unwahrscheinlich, dass diese von sich aus "einfach so" angegriffen hätten.
Als Entgegenkommen hätte man auch regionale Volksabstimmungen bzgl. umstrittener Gebiete abhalten können, denn es hat keinen Sinn, Menschen langfristig gegen ihren Willen zu beherrschen. Allerdings hätte man keine Gebiete ohne Volksabstimmung abtreten sollen.
Wenn man so will, wäre das eine Situation ähnlich der nach dem Krieg, nur dass dann die Gebiete ohne Volksabstimmung oder nach manipulierten Volksabstimmungen abgetreten wurden.




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